Zusammenfassung der SHT des DSB e.V. in Bremen, 2021
Vorab, herzlichen DANK ALLEN, die an den Selbsthilfetagen des Deutscher Schwerhörigenbund e.V. in Bremen teilnahmen, mithalfen und HERZlichen Dank an Aktion Mensch und den Ausstellern!
Ausstellung:
Am 24.09.2021 fand der wichtige Fachtag im Bürgerzentrum Vahr e.V. statt, wo sich unsere Aussteller sich in den Räumen vor dem Saal des BZ Vahr e.V. präsentieren konnten, einschließlich des Hörmobils, das sich vor dem Haupteingang zum BZ Vahr e.V. stand und Interessierte Hörtests machen konnten.
Unter Berücksichtigung der Hygieneauflagen konnten Gäste die Ausstellung im Bürgerzentrum besuchen und sich über neueste und wichtige technische Entwicklungen und Angebote informieren, wie auch über weitere wichtige Vereine und Beratungsstellen!
Wir denken, dass hier ein gutes und umfangreiches Angebot gemacht wurde, so dass Betroffene und Interessierte sich umfassend informieren konnten! Zumindest bekamen wir nur gutes Feedback hierzu!
Vorträge:
Um 9:30h wurde dann das Vortragsprogramm im Saal durch unseren Landesbehindertenbeauftragten für Bremen, Dr. Arne Frankenstein, den Bremer Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (der leider kurzfristig absagen musste und dafür eine schöne und motivierende Videobotschaft machte) und dem Präsidenten für den Deutscher Schwerhörigenbund e.V., Herrn Dr. Matthias Müller, eröffnet!
Themen der Vorträge waren Bildung und Gesundheit, mit jeweils anschliessenden Podiumsdiskussionen!
Die Vorträge und Podiumsdiskussionen waren lange und intensiv vorbereitet worden, um eine best mögliche Qualität zu erreichen und die möglichst aktuelle Situation für Hörgeschädigte zumindest kurz und möglichst klar zu präsentieren! Für Hörgeschädigte ist nur eine optimale Bildungstruktur wichtig, sondern auch die ausreichende Kenntnis über den aktuellen technischen Stand der Hörgeräte, deren Hilfsmittel und die rechtliche Situation!
Bildung:
Frau U. Witte, Schulleiterin Elbschule in Hamburg, Frau S. Kolbe und Herr Th. Hohenhinnebusch, Schulleiter Markusallee Bremen, stellten ihre Schulen vor. Danach präsentierte Frau Prof. A. Leonhardt von der LMU, München, neueste Studien zur Frage, warum Kinder mit Hörschädigung, die zuerst in einer Regelschule waren, zur Förderschule wechseln.
Die anschließende Podiumsdiskussion wurde genutzt, um den anwesenden Politikerinnen und Politikern, Frau Y. Averwerser (CDU), Frau B. Bergmann (FDP), Frau G. Bredehorst (SPD), Herrn Ch. Hupke (B90/Grüne) und Frau M. Strunge (Die Linke) die Möglichkeit zu Fragen an die Schulen und Frau Prof. A. Leonhardt zu ermöglichen. Auch unseren anwesenden Gästen wurden Fragen per Zettel ermöglicht und gesammelt.
Natürlich war es nicht möglich alle Fragen zu stellen und zu beantworten, jedoch kann zumindest zusammengefasst werden, dass die bisherige Inklusionspolitik für lautsprachorientierte Kinder mit Hörgeschädigte in Bremen unzureichend ist.
Grob zusammengefasst, zur Frage, warum in Bremen rund 50% der Kinder mit Hörschädigung erst zur Regelschule, dann doch zur Förderschule wechseln:
– keine Frühforderungsangebote für Kinder mit Hörschädigung
– In Regelschulen erhebliches Mobbing mit der Folge überschnittlicher Depression und es gibt keine speziellen psychotherapeutische Angebote
– Für Kinder mit Hörschädigung unzureichende Schulräume und zu große Klassenstärke, unzureichende Akustik
– Nutzen Kinder FM-Anlagen, fühlen sich diese noch mehr ausgegrenzt
– Nicht ausreichende Sonderpädagogik für lautsprachorientierte Kinder, es wird fortlaufend vergessen, wie wichtig die Artikulation ist, wie auch, dass man sich beim Sprechen ausreichend ansehen muss.
Weiterbildungsmöglichkeiten:
– Es fehlt in Bremen, für die Kinder in der Schule Markusallee, ein zur Elbschule vergleichbares Angebot zum Abitur. In Hamburg haben Kinder mit Hörschädigung die Möglichkeit nach Abschluss der mittleren Reife zur Stadtteilschule Hamburg Mitte zu wechseln. Diese Schule ist eine Schwerpunktschule für Kinder mit Hörschädigung, wo es auch diese erforderlichen Räume gibt. Für die Kinder mit Hörschädigung in Bremen gibt es nur die Möglichkeit, entweder, die besuchen eine Regelschule in Bremen, um das Abitur zu schaffen oder die wechseln zu dieser Stadtteilschule nach Hamburg. Es gibt sonst noch Möglichkeiten in Schleswig, Essen, Leipzig, München, etc..
– Ausreichende Berufsausbildungsmöglichkeiten gibt es in Bremen auch nicht, so dass auch hier Kinder mit Hörschädigung in eine andere Stadt umziehen müssen, sollten diese weiterhin auf besondere Unterstützung angewiesen sein.
– Die UNI Bremen kann ebenfalls keine ausreichende Barrierefreiheit bieten.
Forschung:
Seit Jahren versucht die UNI Bremen eine zu München und Leipzig vergleichbare Fakultät aufzubauen, wo es einen großen Mangel an ausreichend kompetenten Lehrkräften gibt, wie auch umfassender dahingehend geforscht werden muss, in wie weit z.B. das Erlernen der Sprache, des Sprechens, z.B. auch über die Musik, für das Lernen des Hörens von großer Bedeutung ist.
In Hamburg gibt es zwar eine ähnliche Fakultät, die sich jedoch nur auf die Gebärdensprache beschränkt, so dass die wissenschaftliche Sprachförderung insbesondere für Menschen mit Hörschädigung nicht mit zu Leipzig und München zu vergleichen ist.
Gesundheit (Hörgeräte und Pflege):
Frau B. Richter, Akustikzentrum Lübeck, machte mit dem Titel „Besser Hören, besser verstehen“ einen Fachvortrag zur Frage, wie Hörgeräte optimal eingestellt werden können. Herr Dr. D. Oetting gab uns dann mit dem Motto „Die Zukunft ist breitbandig und beidohrig“ spannende Einblicke über technische Innovationen und klärte uns darüber auf, was der wesentliche Unterschied zwischen „Lautstärke“ und „Lautheit“ ist. Unter anderem, warum bei Hörtests scheinbar nicht sichtbare Frequenzkurven zwischen alten und neuen Geräten doch noch sichtbar gemacht werden können und dass diese Sichtbarkeit gravierend für das dann deutlich bessere „Sprachverständnis“ ist.
Die auch hier anschließende Podiumsdiskussion wurde genutzt, um den anwesenden Politikerinnen und Politikern, Herrn Dr. M. Buhlert (FDP und Beirat Barmer), Frau S. Grönert (CDU), Frau B. Pfeiffer (SPD) und Herrn Th. Pörschke (B90/Grüne) auch hier die Möglichkeit zu geben, Fragen an unsere Fachleute stellen zu können. Herr Dr. H. Seidler stand hier für alle fachliche Fragen zur Verfügung und konnte die Fachvorträge mit Antworten unterstützen und erweitern, so mehr Verständnis oder zumindest mehr Aufmerksamkeit zum wichtigen Unterschied zwischen Lautstärke und Lautheit erreicht werden konnte.
Die Fragen aus dem Publikum wurden auch hier alle eingesammelt und zusammengefasst! Es gab noch bestimmte wichtige Fragen, deren Beantwortung jedoch den zeitlichen Rahmen gesprengt hätte, wie die Frage, warum die so hilfreiche und wichtige T-Spule-Funktion im Hörgerät nicht mehr in der Kassenleistung enthalten ist.
Patrick Hennings gab dann noch weitere Informationen zum Problem der Zeit zwischen der Antragstellung bei der Krankenkasse und Ende des Antrags-/Klagverfahrens, dass in der Zeit man als Betroffener bzw. als Kläger entweder solange auf bessere/neue Hörgeräte verzichten oder warten muss, oder man geht in die Vorleistung bzw. man nimmt einen Kredit auf, was jedoch für viele Betroffene oft nicht möglich ist! So dass hier eine erhebliche Diskrimierung vorliegt, über die in der Politik überhaupt nicht gesprochen wird!
Grob zusammengefasst, zur Frage, warum lehnen Krankenkassen so oft Anträge auf bessere Hörgeräte ab, wenn mehr Sprachverständnis bzw. bessere „Lautheit“ erreicht werden kann?
– Krankenkassen lehnen Hörgeräte ab, weil es bei Hörtests keinen sichtbaren Unterschied zwischen alten und neuen Geräten gäbe.- Die für viele Hörgeschädigte sehr wichtige T-Spule ist keine Kassenleistung mehr, obwohl unverzichtbar! Die T-Spule kann mit einem Kopfhörer qualitativ nicht verglichen werden!
– Warum gibt es noch immer, auch wenn es Präsenzfälle in anderen Bundesländern gibt, im Bundesland Bremen bisher nur negative Urteile? Es gibt in Bremen noch immer kein Urteil, wo die Kassenleistung für ein Gerät im Sinne ausreichender Lautheit übernommen werden muss.
– Beim Antragsteller darf kein Unterschied gemacht werden, ob man die beantragten Hörgeräte für die Arbeit oder nur als Rentner/in braucht.
– Es muss eine Lösung geben, um die Wartezeit zu überbrücken. Denn wenn man neue/bessere Hörgeräte braucht, dann sofort und nicht irgendwann. In nur sehr wenigen Fällen gibt es Akustiker, die sich für die Zwischenzeit auf die Kostenbegleichung der Hörgeräte gedulden, was natürlich nicht geht, wenn die „Zwischenzeit“ länger dauert.
– Gibt es eine neue strukturelle Möglichkeit zur deutlich besseren Hörgeräteversorgung wie z.B. in Schweden, wo erforderliche und ausreichende Hörgeräte nicht gekauft, sondern geliehen werden? In den Niederlanden werden z.B. Rollstühle 5 Jahre lang verliehen.
– Warum wurde der Zyklus beim Anspruch auf neue Hörgeräte von 5 Jahren auf 6 Jahre verlängert, wo die Zyklen wichtiger technischer Neuigkeiten, Verbesserungen sich immer mehr verkürzen wie bei den Smartphones. Was also auch hier eine deutliche Verschlechterung der Hörgeräteversorgung bedeutet.
– Solange Kassengeräte nicht ausreichen und man sich bessere Geräte nicht leisten kann, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, dass betroffene Kinder sich für den Weg der Gebärdensprache entscheiden könnten, also die Gebärdensprache nicht mehr nur zur Unterstützung in der Kommunikation nehmen, sondern diese dann als primäre Sprache wollen.
Ist es das politische Ziel, aus wirtschaftlichen Gründen, sich mit der Alternative der Gebärdensprache begnügen zu wollen? Es gibt den starken Eindruck, wenn man sieht, wie wenig Aufklärung es in der Politik um die Bedürfnisse der lautsprachorientierten Menschen gibt, wo es deutlich mehr Empathie für die Gebärdensprache zu geben scheint!
– Das Artikulationsvermögen in unserer allgemeinen Gesellschaft scheint immer mehr abzunehmen, was so dann eine zunehmende Verschlechterung der akustischen und visuellen Kommunikation bedeutet. D.h. einerseits gibt es zwar wichtige technische Verbesserungen, dennoch geben/können andererseits Menschen nicht mehr so gut von den „Lippen“ absehen“, mangels ausreichender Artikulation, so dass die Hörgeräte nochmals verbessert werden müssten.
Insbesondere ältere Menschen, die sich oft mit technischen Neuigkeiten deutlich schwerer tun mit der Gewöhnung, werden so noch mehr isoliert (es ist eben sehr anstrengend und es setzt ausreichende mentale Belastbarkeit voraus). Und gerade ältere Menschen haben nicht mehr die Option doch noch die Gebärdensprache lernen zu können. Die Gebärdensprache lernt man nicht nur nebenbei und ist eine sehr anspruchsvolle Sprache.
Präsentation des DSB-Leitfadens für Pflegekräfte
Nach vielen Jahren Arbeit wurde der Leitfaden von den Projektleiterinnen Antje Baukhage und Gudrun Brendel kurz präsentiert. Es wurde verdeutlicht, warum dieser Leitfaden so wichtig ist, nämlich die Pflegekräfte müssen zusätzlich für die Kommunikation mit Hörgeschädigten ausgebildet werden, denn insbesondere unter den älteren Menschen, die in einem Pflegeheim leben, gibt es besonders viele Hörgeschädigte. Zu diesem Leitfaden kam es eben, weil es eben eine viel zu große Unzufriedenheit unter den Menschen gibt, die sich im Pflegedienst befinden!
Der DSB e.V. versucht schon seit vielen Jahren auf dieses große Problem hinzuweisen. Frau R. Welter, fast lebenslanges Mitglied des DSB Präsidiums, ergänzte das Problem, dass der DSB e.V. kein ausreichendes politisches Mitspracherecht hat!
Hier muss eine strukturelle Lösung her, um eben die nötige maximal mögliche Aufklärung unter den Menschen mit Hörschädigung und Lautsprachorientierung zu erreichen!
Aufträge, Hauptaufgaben für unseren Bremer HBB e.V. für den Bereich:
Bildung
– Vertiefte Mitarbeit mit dem Bremer Teilhaberat über den Bremer Landesbehindertenbeaufragten
– Zusammenarbeit mit und Unterstützung der bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Bremer Bürgerschaftsfraktionen. (Anmerkung: in der Bildungspolitik liegt die hauptsächliche Verantwortung bei den Landesregierungen)
– Zusammenarbeit mit der Bremer UNI mit dem Ziel der Einrichtung einer für „Hörschädigung und Sprachförderung“ speziellen Fakultät
Gesundheit
– Vertiefte Mitarbeit beim Bremer Teilhaberat über den Bremer Landesbehindertenbeaufragten zur Verbesserung der Kommunikation und weitergehendem Barriereabbau!
– Nochmals auf Buten und Binnen und Rundfunkrat zugehen und fordern, dass endlich auch die Regionalnachrichten 19:30h endlich untertitelt werden! Dieser Sender, ist der letzte, der noch immer keine UT anbietet.
– Aufbau Netzwerk mit kompetenten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten
SCHLUSSWORT
Es war eine phantastische
TEAMLEISTUNG!